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Re: Freigang

Irene König ⌂, Samstag, 10.03.2007, 18:57 (vor 6411 Tagen) @ Ingra Freigang-Bauer

Liebe Ingra,

die Geschichte mit der Blutvergiftung kann man sicher von zwei Seiten betrachten. Es hört sich dramatisch an, daß sein Glaube ihm zum Verhängnis wurde und aus der heutigen Sicht erscheint es logisch, daß Samuel starb, weil er sich nicht behandeln ließ. Aber Dein Urgroßvater lebte zu einer Zeit, als es noch keine Antibiotika gab und auch ein Arzt hatte damals keine Möglichkeit, eine Blutvergiftung (Sepsis) erfolgreich zu behandeln. (Selbst heutzutage und mit unserer hochentwickelten Medizin sterben noch ca. ein Drittel aller Menschen mit einer Sepsis - laut einer amerikanischen Studie).

Eine Schwester meiner Oma, Olga Bunkowski, verstarb 1928 in Wolhynien ebenfalls an einer Blutvergiftung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß meine Mutter von dem "roten Strich am Arm" erzählte, der "immer weiter nach oben ging, bis zum Herzen". Hat mich als Kind sehr beeindruckt! Im gleichen Jahr hat Fleming übrigens das Penicillin entdeckt, zu spät für Tante Olga.

Ich bin mir immer noch nicht sicher darüber, wann eigentlich Dein Großvater gestorben ist. Du schreibst 1910. Aber es gibt Berichte, wo ein Prediger Freigang in Horoshek im Jahr 1912 erwähnt wird. Leider ohne den Vornamen, also frage ich mich, ob es Dein Großvater war oder der andere, Gustav L. Freigang. Aber dieser war (laut Don Miller) bis 1910 in Kolowert, dann in Neudorf und ist 1913 nach USA emigriert.

Ich habe einen Reisebericht von Pastor Friedrich Brauer aus dem "Hausfreund" und kopiere Dir die folgende Passage hir hinein.

irene


F. Brauer
Meine Wolhynienreise
Quelle: Der Hausfreund. Nr. 50 / 1912
Eine Zeitschrift für Gemeinde und Haus. Organ der deutschen Baptisten in Rußland.

Die Gemeinde Neudorf ist die größte und die Mutter aller Gemeinden in Wolhynien; auf ihr Gebiet ging ich jetzt über. Die erste Station, die in Angriff genommen wurde, war Goroschki. Br. GÖTZE, der unermüdliche Freund, brachte mich zu Bruder FREIGANG, was er umso lieber tat, weil er wieder die Wohnung sehen konnte, in der er als Anfänger und Neuling in Wolhynien gewohnt. Der Empfang der Geschwister FREIGANG ließ nichts zu wünschen übrig, bloß ich wünschte, daß die Gemeinde ihnen eine Gehaltsverbesserung vornehmen möchte, damit er seine Arbeit als Missionar nicht mit Seufzen tun müßte, weil seine zahlreiche Familie zu kleine Stücke Brod bekommet. Solches würde für eine so große und reiche Gemeinde nur ehrenvoll sein.

Goroschki ist ein kleines unansehnliches Städtchen, aber doch auch politisch historisch, denn hier hatte der große russische Heerführer Kutusow seinen Wohnsitz und von hieraus ist er auch ausgezogen, als er das Hauptkommando gegen den Kriegseinfall der Franzosen im Jahre 1812 übernahm. Die Wälle der Festung, die einst seine Wohnung bildete, sind heute noch immer ziemlich hoch und interessant. Üppiger Baumwuchs überwuchert sie. ...


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