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Re: Andere Zahlen [Einwohner]

Gerhard König ⌂, Dienstag, 22.07.2003, 18:35 (vor 7585 Tagen) @ Irene Kopetzke

Als Antwort auf: Andere Zahlen von Irene Kopetzke am 22. Juli 2003 01:35:53:


Einwohnerzahlen

Im Jahre 1838 zählte man in Wolhynien 1.200 und im Jahre 1859 5.825 Deutsche ..

Das hieße, daß innerhalb von 20 Jahren nur etwa 4000 deutschstämmige Einwanderer nach Wolhynien kamen.

Zur Problematik der statistischen Erhebungen aus den o.g. Jahren haben wir uns schon mehrfach ausgetauscht. Die tatsächliche Einwohnerzahl deutschstämmiger Bewohner Wolhyniens war vermutlich etwas größer.

Irene, Deine Vermutung über den relativ geringen Zuwachs der deutschen Bevölkerung in den 20 Jahren bis 1859 klingt für mich sehr plausibel und läßt sich in der Literatur wie folgt nachvollziehen (Vgl. HENNIG S.11 ff):

- Mennoniten gründeten die ersten Ortschaften in Wolhynien Ende des 18. Jhd.
- Unfruchtbare Jahre und russische Dienstpflicht erschwerten ihr Dasein
- Anette und Josephine blieben lange Zeit die einzigsten Kolonien, da die Lebensbedingungen der Kolonisten sich kaum änderten (Urwald, wenig Absatz, geringe Preise). Keine neuen Einwanderer zogen ins Land.
- Neue Einwanderungswelle um das Jahr 1831, bedingt durch die polnischen Aufstände
- Die russische Regierung versuchte in den Folgejahren, die Einwanderung der Tuchmacher zu begünstigen, um eine Tuchindustrie aufzubauen - in diesem Zusammenhang ist die o.g. Zahl von 1.200 Deutschen im Jahr 1838 zu sehen.
- Dieses Vorhaben der russischen Regierung scheiterte, die manuellen Webstühle konnten mit den mechanischen z.B. im Industriegebiet Lodz nicht Schritt halten, die Menge und die Qualität der Textilwaren waren für einen notwendigen Absatz zu gering
- Die Mennoniten wanderten weiter, neue Einwanderungen waren über die nächsten 30 Jahre kaum zu verzeichnen - so erscheint die Zuwachsrate bis 1859 als enorm.

Genannte Beispiele decken sich mit den geschichtlichen Aussagen und Formulierungen bei BUSCH 1862, PINGOUD 1909, KARASEK-LÜCK 1931 und HENNIG 1933, so wie ich vergleichen konnte.

Zu den konkreten Zahlen:
Busch 1862
Kirchspiel Schitomir: 3.046 Eingepfarrte, 21 Schulen, 21 Lehrer, 556 Schüler beiderlei Geschlechts
Kirchspiel Roschischtschi: 1.779 Eingepfarrte, 7 Schulen, 7 Lehrer, 253 Schüler beiderlei Geschlechts
1859 Summe für Wolhynien: 4.825 Eingepfarrte, 28 Schulen, 28 Lehrer, 809 Schüler beiderlei Geschlechts

Pingoud 1909
Er zitiert seinen Vorgänger aus dem Jahr 1862, nennt aber für das Jahr 1859: 5.825 Deutsche (?). Da Pingoud zu dieser Zahl keine anderen Quellen aufzählt, gehe ich von einem Druckfehler bei der ersten Ziffer "5" aus.

KARASEK-LÜCK 1931
Beide Autoren verweisen in ihren Ausführungen auf die gleiche Differenz - wie eben beschrieben - und haben sich in ihrem Text für die Einwohnerzahl 4.825 im Jahr 1859 entschieden. KARASEK-LÜCK vergleichen im weiteren Text diese Zahl mit den Ausführungen von NOWICKI:

NOWICKI 1870
Lt. der eben genannten Darstellung von KARASEK-LÜCK sind bei NOWICKI für das Jahr 1863 insgesamt 5.684 Deutsche in Wolhynien genannt.

Die Aussage von ARNDT 1994 in seinem Buch bezüglich der Einwohnerzahl 11.424 (?) für das Jahr 1860 kann ich nicht nachvollziehen und auch nicht bestätigen. (Meine persönliche Begründung siehe extra Beitrag.)

Gerhard

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Eingesehene Quellen, die von mir bisher nicht genannt:

HENNIG, Martin: "Die evangelisch-lutherische Kirche in Polnisch-Wolhynien", Leipzig, 1933
KARASEK-LÜCK: "Die deutschen Siedlungen in Wolhynien. Geschichte, Volkskunde, Lebensfragen", Plauen, 1931

Quellen, die mir nicht vorliegen:

ARNDT, Nikolaus: "Die Deutschen in Wolhynien, ein kulturhistorischer Überblick", Würzburg, Kraft, 1994.
NOWICKI, F.: "Wolyn i jego mieszkancy w r. 1863" (Wolhynien und seine Bewohner im Jahre 1863), Dresden, 1870


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