Nowosolna
(11.11.2002 - 00:11)
Über eine Mailingliste kam neulich folgender Beitrag zur Gründung preußischer Kolonien, der Dich vielleicht interessieren könnte, da darin auch Nowosolna erwähnt wird. Es handelt sich um einen Auszug aus einem Buch des Bischofs Steinberg der Herrnhuter Brüdergemeinde in Polen, vor etwa 90 Jahren geschrieben.
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Anlagen besonderer Art sind die preußischen Kolonien, die zwischen 1795-1807 durch die preußische Regierung angelegt wurden. Häuser und Wirtschaftgebäude wurden dann in zwei Größen alle nach demselben Muster gebaut; in jeder Kolonie aber wieder nach anderer Art, je nach Angabe des Herrn Kommissar, der mit der Anlage der Kolonie beauftragt war. Wenn die Ansiedler kamen, fanden sie Wohnung und Wirtschaftgebäude errichtet, die Kuh im Stall, den Topf auf dem Herd, die Schüssel auf dem Tisch, den Löffel daneben; so erzählten die Alten.
Diese preußischen Kolonien sind nach sorgsamen Plänen, die sich nach Form und Beschaffenheit des zur Ansiedlung bestimmten Landes richtete, angelegt. Es wurden gewöhnlich drei Größen der Ansiedlerstellen vorgesehen, die Handwerkerstelle zu etwa 5 Morgen, dann 30 und endlich 60 Morgen. Da kamen denn die Kolonisten, Württemberger, Franken, Überrheiner, Hessen, Pfälzer u.a.m. Handwerker, Maurer, Zimmerleute, Tischler, Stellmacher, Schmiede, Schuhmacher, Gerber, Hutmacher, u.a.m. Und alle diese Gewerbe waren notwendig. Die Kolonisten brachten bessere Ackergeräte mit und die Kunstfertigkeit sie herzustellen. Die preußische Regierung lies es sich etwas kosten, mitten in ihre neuen Provinzen deutsche Musterdörfer zu setzen.
Wir finden diese Kolonien im Warschauer, Plotzker, Petrikauer und Kalischer Gubernium. - Die Namen erhielten sie einesteils von der Gegend oder den Orten, aus denen die ersten Ansiedler herstammten, andernteils stifteten sich wohl die Herrn Kommissare durch die Namen ihrer Schöpfung ein bleibendes Andenken. So finden wir ein Leonberg, dessen erste Ansiedler aus dem Oberamtsbezirk Leonberg in Württemberg, aus Gerlingen, Sindelfingen u.a. O. stammten; ein Neusulzfeld, mit Leuten aus Sulzfeld in Baden, früher Württemberg, besetzt; ein Dittlingen, benannt nach einem Ort in Württemberg, ein Kunzig nach einem solchen im Elsaß. Die Namen Donnersruh, Günthersruhm, Schrödersdorf, Karlshof dagegen lassen ihre Herkunft von den Herren Erbauern deutlich erkennen. Diese alten Namen sind natürlich längst verschwunden.[Fortsetzung]
Wie die Herren Preußen drauf und dran germanisiert haben, so auch wieder die Polen polonisiert, dann die Russen russifiziert. Aus Leonberg wurde sinngemäß Löwchen, polnisch Lwowek, russisch Lwuwek. Außer diesen amtlichen Namen, die im Volk ziemlich unbekannt sind, gibt es noch die volkstümlichen. Fragst du in einiger Entfernung z.B. auf dem Bahnhof Pniewo, der nächsten Bahnstation von Lwowek, nach Lwowek, so kann ein Achselzucken die Antwort sein; dagegen die "Sanniker Kolonie" oder schlechthin "Kolonie" kennt jeder.
Auf Grund und Boden der großen Herrschaft Sanniki ist Leonberg erbaut. Wo die Kolonie mit ihren Feldern liegt, da stand mächtiger Sanniker Wald; die Kolonisten hatten noch die Stumpen zu roden, damit sie pflügen und säen konnten. 1802 wurde Leonberg angelegt, - Neusulzfeld wurde polonisiert in Nowosolno = Neusalz. Es wurde schon 1801 besiedelt. Diese große Kolonie ist fast kreisrund, der Umfang beträgt 15 km. Sie wird von der Straße Lodz-Strykow durchschnitten. In der Mitte ist ein Ring, an welchem Kirche, Pfarrhaus, Schule, Schenke und Amtsgebäude liegen oder in Aussicht genommen wurden. Von diesem Ring aus gehen acht Straßen strahlenförmig nach der Peripherie, an denen zu beiden Seiten die Gehöfte liegen. Diese acht Straßen entsprechen ebenso vielen Grenzrainen, an denen dann die Ländereien von rechts und links zusammenstoßen. Die kleinen, die Handwerkerstellen, liegen zunächst am Ring, die größten an der Peripherie. Hier und in Leonberg, in den Kolonien südlich von Warschau, hören wir die schwäbische Mundart, hier ist noch das Andenken an die alte Heimat, hier und da sind auch noch persönliche Beziehungen erhalten und durch spätere Nachschübe erneuert.
Süddeutsche, Norddeutsche, Ostdeutsche sind die Hauptgruppen der deutschen Ansiedler auf dem Lande; dazwischen sind die Uckermärker, die "mir" und "mich" stets verwechseln, Westfalen, Sachsen und die Altpreßen, die schon am längsten im Lande sind, ein harter Menschenschlag. Sie sind auch als Handwerker, Kaufleute, Bäcker, Konditoren, Wurstmacher in den Städten ansässig. In den großen Industriegebieten sind es Sachsen und Rheinländer, welche die großen Fabrikanlagen ins Leben gerufen haben oder auch die Tuchmacher aus Grünberg, die ihre Reben mit nach Polen brachten und nun ihre Fäßchen selbst gezogenen, gepreßten und gegorenen Weins im Keller liegen haben.
In Polen kommt man rasch durch Deutschland. Eine Stunde Wagenfahrt von Leonberg nach Wymisle bringt mich aus Schwabenland nach Mecklenburg, bei der Abfahrt hieß es "Behüt di Gott", bei der Ankunft: "Guden Taag ock"!
---ZITAT ENDE---
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- Suche den Ort Glagowitz -
Ralf Loga,
10.03.2003, 09:05
- Re: Suche den Ort Glagowitz -
Jerry Frank †,
10.03.2003, 09:08
- Re: Suche den Ort Glagowitz - Ralf Loga, 10.03.2003, 09:09
- Re: Suche den Ort Glagowitz -
Ralf Loga,
10.03.2003, 09:11
- Glagowitz / Glogowiec - Irene Kopetzke, 10.03.2003, 09:14
- Nowosolna -
Irene Kopetzke,
10.03.2003, 09:18
- Re: Nowosolna - Jerry Frank †, 10.03.2003, 09:21
- Re: Nowosolna - Udo Kling, 24.06.2003, 15:09
- Re: Suche den Ort Glagowitz -
Ralf Loga,
10.03.2003, 09:22
- Namenssuche in Glagowitz und Umgebung - Gerhard König, 10.03.2003, 09:24
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- Re: Suche den Ort Glagowitz -
Jerry Frank †,
10.03.2003, 09:08