Besiedlung Wolhyniens 1800-1860

Irene Kopetzke, Mittwoch, 23.07.2003, 00:11 (vor 7848 Tagen)

Es ist erstaunlich, welche Informationen man findet, wenn man erst einmal zu suchen beginnt. Leider habe ich keinen Urlaub (so wie Gerhard ;-) und so kann ich hier nicht alles im Detail darlegen, da mir die Zeit fehlt.

Die Zahlen, die ARNDT angibt, kann ich nicht einfach ignorieren, denn er beruft sich auf offizielle russische Angaben. Auch mir erscheint die Zahl von 140 deutschen Siedlungen zu hoch, zudem hier explizit gesagt wird, daß von den Deutschen 140 Siedlungen gegründet wurden (und nicht lediglich, daß die Deutschen in 140 Siedlungen lebten). Aber ich setze voraus, daß ARNDT diese Statistik gesehen hat, wenn er sie zitiert.

In den WOLHYNISCHEN HEFTEN fand ich Informationen über die Forschungsarbeit eines MICHAIL KOSTIUK aus Luzk. Dieser hat eine Dissertation über die Einwanderung der Deutschen nach Wolhynien geschrieben und dafür wurden erstmalig die Archivakten des zaristischen Generalgouverneurs in Kiew ausgewertet. Der Titel ist "Deutsche Migrationsbewegungen in Wolhynien vom 2. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts".

KOSTIUK schreibt, daß für das erste Drittel des 19. Jahrhunderts nur eine geringe Anzahl von Immigranten kamen und sich die Umsiedlung sehr langsam vollzog. Genannt werden die Mennoniten, die Karlswalde (1801), Antonowka (1804) und Waldheim (1817) gründeten. Dann werden katholische und protestantische Deutsche erwähnt, die hauptsächlich aus Preussen und aus deutschen Kolonien des Gouvernements Grodno übersiedelten. Sie gründeten im Kreis Rowno die Kolonie Sofiewka (1811) und im Kreis Dubno den Weiler Tscharkowskij (1817). Deutsche aus dem Gouvernement Grodno gründeten im Kreis Wladimir Wolynsk die Kolonien Aleksandrowka (1819) und Sabushkije Holendry (1824).

Sein Fazit ist: "Insgesamt wurden in den ersten 30 Jahren des 19. Jhdt. durch Deutsche in Wolhynien nur fünf Kolonien gegründet, die 1001 Einwohner zählten. Wenn man die Mennoniten zu ihnen hinzufügt, dann betrug die Anzahl der deutschen Ansiedler etwa 2.000 Personen."

Die Diskrepanz bei der Anzahl der gegründeten Siedlungen mag daran liegen, daß zwei verschiedene Quellen benutzt wurden:
Zabelin, A.: Voenno-statisticeskoe obozrenie Volynskoj gubernii. 1887
Voronin, A.: Ob inostrannych poselencach v Jugo-Zapadnom krae

Weiterhin schreibt KOSTIUK:

--ZITAT--
Die zweite Welle der deutschen Immigration nach Wolhynien vollzieht sich im Abschnitt der nächsten 30 Jahre des 19. Jh. Deren Analyse zeigt in erster Hinsicht das angestiegene Tempo der Übersiedlung mit einer größeren Anzahl der Einwanderer. Alleine von 1840 bis 1860 reisten 918 deutsche Familien nach Wolhynien aus, die viele neue Kolonien in verschiedenen Kreisen* gründeten. Wobei sich das Migrationstempo mit jedem Jahrzehnt steigerte. Insgesamt siedelten sich im Gouvernement 11.424 deutsche Kolonisten an, die 139 Kolonien gründeten. Im Vergleich mit der vorangegangenen Periode stieg die Anzahl der deutschen Einwanderer um 11 mal und die Anzahl der entstandenen Kolonien um 23 mal. Die Gesamtzahl der deutschen Ansiedler verschiedener Stände und Konfessionen betrug gegen 1860, nach Angaben verschiedener Forscher, etwa 20.000 Menschen.
--ZITAT ENDE--

Hier scheint zumindest KOSTIUK das gleiche statistische Material benutzt zu haben wie ARNDT. Nicht alle angegebenen Zahlen sind für mich nachvollziehbar.

*genannt werden die Kreise Luzk, Nowograd Wolynsk, Sasslaw und Shitomir(!)

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